Management Summary zum (BFSG)
Mit Inkrafttreten des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes (BFSG) zum 28. Juni 2025 gelten neue gesetzliche Anforderungen an die Barrierefreiheit digitaler Angebote. Neben öffentlichen Stellen sind nun auch viele private Unternehmen verpflichtet, ihre Websites, mobilen Anwendungen und digitale Dienstleistungen barrierefrei zu gestalten.
Die Anforderungen orientieren sich an den internationalen Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) in der Version 2.1, Stufe AA, sowie an der europäischen Norm EN 301 549. Ziel ist es, digitalen Zugang für alle Menschen zu gewährleisten – unabhängig von körperlichen oder kognitiven Einschränkungen.
Der Handlungsdruck steigt. Unternehmen sollten bereits jetzt bestehende Systeme überprüfen, laufende Relaunches entsprechend planen und barrierefreie Standards in ihre Prozesse integrieren. Der Aufwand lässt sich reduzieren, wenn Accessibility von Beginn an mitgedacht wird. Neben der gesetzlichen Verpflichtung bietet barrierefreies Webdesign klare Vorteile in den Bereichen Nutzerfreundlichkeit, Markenwahrnehmung und Suchmaschinenoptimierung.
Hintergrund: Was regelt das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz?
Das BFSG setzt die europäische Richtlinie (EU) 2019/882 um, auch bekannt als „European Accessibility Act“. Ziel ist es, einen einheitlichen Standard für barrierefreie Produkte und Dienstleistungen im Binnenmarkt zu schaffen.
In Deutschland verpflichtet das Gesetz unter anderem Anbieter digitaler Dienste dazu, ihre Angebote so zu gestalten, dass sie auch von Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt, selbstbestimmt und ohne fremde Hilfe genutzt werden können.
Betroffene Bereiche:
- Websites und mobile Apps
- E-Commerce-Angebote
- Online-Banking
- elektronische Ticketsysteme
- digitale Kommunikationsdienste
- Selbstbedienungsterminals
Wer ist betroffen?
Die neuen Anforderungen gelten ab dem 28. Juni 2025 für:
- Unternehmen mit mehr als 9 Mitarbeitenden und über 2 Mio. € Jahresumsatz
- Anbieter digitaler Dienstleistungen, insbesondere im E-Commerce, Finanz- und Kommunikationsbereich
- Betreiber von Verkaufsplattformen, Buchungssystemen und Informationsportalen
Nicht betroffen (aber empfohlen):
- Kleinstunternehmen, die weniger als 10 Personen beschäftigen und einen Jahresumsatz von unter 2 Mio. € haben
Für diese Zielgruppen besteht keine gesetzliche Verpflichtung, aber dennoch eine strategische Relevanz – etwa durch Wettbewerbsvorteile oder zunehmende Markterwartungen.
Was bedeutet Barrierefreiheit konkret?
Barrierefreiheit im digitalen Raum bedeutet, dass alle Nutzerinnen und Nutzer – unabhängig von Einschränkungen – gleichberechtigt auf Inhalte zugreifen und mit digitalen Anwendungen interagieren können.
Zentrale Anforderungen:
- Struktur: korrekte HTML-Struktur, klare Überschriften, logische Seitenaufteilung
- Kontraste & Lesbarkeit: ausreichender Farbkontrast, skalierbare Schriftgrößen
- Tastaturbedienbarkeit: vollständige Bedienung der Website ohne Maus
- Alternative Texte: sinnvolle Alt-Texte für Bilder und Grafiken
- Formulare: korrekt beschriftete Eingabefelder, Hilfetexte und Fehlermeldungen
- Multimedia-Inhalte: Untertitel für Videos, Audiobeschreibungen bei Bedarf
- Vermeidung von Barrieren: keine Inhalte mit Flackern, automatischer Wiedergabe oder Bewegung ohne Steuerungsmöglichkeit
Barrierefreiheit bedeutet nicht „weniger Gestaltung“, sondern mehr Nutzerorientierung und technische Sauberkeit.
Technische Standards: WCAG und EN 301 549
Die konkreten Anforderungen orientieren sich an folgenden Standards:
- WCAG 2.1 (Level AA) – international anerkannte Richtlinie für barrierefreie Webinhalte, herausgegeben vom W3C
- EN 301 549 – europäische Norm zur Barrierefreiheit digitaler Produkte und Dienstleistungen, Grundlage für das BFSG
Diese Standards definieren, wie barrierefrei zu gestalten ist – nicht, was. Unternehmen bleibt dabei Spielraum in der Umsetzung, solange die Kriterien erfüllt werden.
Rechtliche Folgen bei Nichtbeachtung
Ab 2025 kann ein Verstoß gegen die Barrierefreiheitspflicht als Ordnungswidrigkeit gelten. Mögliche Folgen sind:
- Bußgelder
- Abmahnungen durch Mitbewerber oder Verbände
- Imageverlust durch negative öffentliche Wahrnehmung
- Unzulässigkeit der Produktvermarktung bei digitalen Verkaufsangeboten
Für Unternehmen ergibt sich daraus ein klarer Handlungsbedarf – sowohl rechtlich als auch strategisch.
Warum es sich lohnt, frühzeitig zu handeln
- Nutzerfreundlichkeit steigt: barrierefreie Seiten sind oft klarer strukturiert und einfacher bedienbar – für alle.
- SEO profitiert: viele Accessibility-Kriterien (z. B. klare Überschriften, Alt-Texte) wirken sich positiv auf Suchmaschinen-Rankings aus.
- Reichweite steigt: Menschen mit Einschränkungen bilden eine große Zielgruppe – weltweit mehr als 1 Milliarde.
- CSR & Verantwortung: Barrierefreiheit sendet ein positives Signal – gesellschaftlich wie unternehmerisch.
Was Unternehmen jetzt tun sollten: To-do-Liste zur Umsetzung
1. Analyse des Ist-Zustands
- Accessibility-Audit der bestehenden Website
- Prüfung auf Einhaltung der WCAG 2.1 Level AA
- Identifikation konkreter Barrieren
2. Bewusstsein schaffen
- Schulung von Mitarbeitenden in Design, Redaktion und Entwicklung
- Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten definieren
3. Sofortmaßnahmen umsetzen
- Alt-Texte ergänzen
- Kontrast-Checks durchführen
- Navigierbarkeit per Tastatur prüfen
- Formulare mit Labels versehen
- Fokus-Indikatoren aktivieren
4. Relaunchs & neue Projekte barrierefrei planen
- Barrierefreiheit als integralen Bestandteil in Konzept und Designphase aufnehmen
- Entwicklerteams frühzeitig einbeziehen
- Styleguides und Designsysteme anpassen
5. Kontinuierlich prüfen & verbessern
- Regelmäßige Tests mit Tools und ggf. realen Nutzer:innen
- Monitoring-Prozesse etablieren
- Feedbackmöglichkeiten für Nutzer:innen anbieten
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zur Barrierefreiheit von Webseiten
Für wen gilt die gesetzliche Pflicht zur Barrierefreiheit ab 2025?
Die Verpflichtung zur digitalen Barrierefreiheit betrifft ab dem 28. Juni 2025 alle Unternehmen, die digitale Dienstleistungen oder Produkte bereitstellen – insbesondere im E-Commerce, bei Online-Banking, Buchungssystemen oder Plattformen. Ausgenommen sind Kleinstunternehmen mit weniger als 10 Mitarbeitenden und unter 2 Mio. € Jahresumsatz.
Welche gesetzlichen Grundlagen gelten?
Die Pflicht zur Barrierefreiheit basiert auf dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG), das wiederum auf der EU-Richtlinie 2019/882 (European Accessibility Act) beruht. Technisch maßgeblich sind die Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) 2.1, Level AA sowie die europäische Norm EN 301 549.
Ab wann müssen die Anforderungen erfüllt sein?
Die Anforderungen gelten ab dem 28. Juni 2025 für alle neu veröffentlichten digitalen Produkte und Websites. Bereits bestehende Angebote müssen spätestens bis zu diesem Stichtag überarbeitet oder ersetzt werden, wenn sie weiterhin öffentlich zugänglich sind.
Welche konkreten Anforderungen müssen erfüllt werden?
Webseiten müssen u. a. folgende Punkte berücksichtigen:
– Inhalte müssen mit der Tastatur bedienbar sein
– Texte und Bedienelemente müssen gut lesbar und kontrastreich sein
– Bilder benötigen beschreibende Alt-Texte
– Videos müssen untertitelt sein
– Formulare müssen korrekt beschriftet und verständlich aufgebaut sein
– Strukturen müssen nachvollziehbar und logisch aufgebaut sein
Gibt es Strafen bei Verstößen?
Ja. Werden die gesetzlichen Anforderungen nicht erfüllt, können Bußgelder, Abmahnungen oder Marktzugangsverbote drohen – je nach Schwere und Umfang der Verstöße. Unternehmen riskieren zusätzlich Reputationsschäden.
Welche Vorteile hat Barrierefreiheit – über die Pflicht hinaus?
Barrierefreiheit sorgt für bessere Nutzerfreundlichkeit, eine größere Reichweite (auch für ältere Menschen oder mobile Nutzer:innen), wirkt sich positiv auf SEO aus und stärkt das Unternehmensimage. Es ist ein Qualitätsmerkmal, kein Mehraufwand.
Wichtige Links zum Thema BFSG
Gesetzliche & normative Grundlagen
- Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG)
https://www.gesetze-im-internet.de/bfsg/
→ Originaltext des deutschen Gesetzes auf der Seite des Bundesministeriums der Justiz - EU-Richtlinie 2019/882 (European Accessibility Act)
https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX:32019L0882
→ Volltext der Richtlinie im EUR-Lex Portal der EU - EN 301 549 – Europäische Norm für digitale Barrierefreiheit
https://www.etsi.org/deliver/etsi_en/301500_301599/301549/
→ Technische Norm von ETSI (Englisch, PDF verfügbar)
Technische Standards & Richtlinien
- WCAG 2.1 – Web Content Accessibility Guidelines (Deutsch)
https://www.w3.org/Translations/WCAG21-de/
→ Offizielle deutsche Übersetzung der WCAG 2.1 durch das W3C - WCAG Quick Reference (Englisch, sehr praxisnah)
https://www.w3.org/WAI/WCAG21/quickref/
→ Interaktive Übersicht aller Erfolgskriterien mit Filteroptionen - BITV 2.0 – Barrierefreie Informationstechnik-Verordnung (für Behörden, aber praxisrelevant)
https://www.gesetze-im-internet.de/bitv_2_0/
→ Deutsche Verordnung zur Umsetzung digitaler Barrierefreiheit im öffentlichen Sektor
Hilfreiche Tools zur Prüfung von Barrierefreiheit
- WAVE Accessibility Tool
https://wave.webaim.org/
→ Kostenloses Online-Tool zur Analyse von Barrierefreiheit (Browser-Erweiterung verfügbar) - axe DevTools
https://www.deque.com/axe/devtools/
→ Entwicklerfreundliches Prüf-Tool für Barrierefreiheit (kostenlose und Pro-Version) - Google Lighthouse
https://developer.chrome.com/docs/lighthouse/accessibility/
→ In Chrome integriertes Tool zur Analyse von Webperformance und Barrierefreiheit - BITV-Test
https://www.bitvtest.de/
→ Offizielles Prüfverfahren für barrierefreie Websites in Deutschland (besonders für öffentliche Stellen)
Institutionen & Netzwerke
- BIK – Barrierefrei informieren und kommunizieren
https://www.barrierefrei-kommunizieren.de/
→ Umfangreiche Ressourcen zu barrierefreiem Webdesign und digitalen Medien - WAI – Web Accessibility Initiative (W3C)
https://www.w3.org/WAI/
→ Internationale Anlaufstelle zu Accessibility-Standards, Methoden, Best Practices